Sicher kennt jeder inzwischen die Situation:
Vorne im 600er BMW fährt ein Fahranfänger und plötzlich und unvermittelt stoppt er, steigt aus und stellt sich grübelnd an den Straßenrand. An den Rand der Schlange, die sich irgendwo frühmorgens zur Knobberszeit in Deutschland gebildet hat. Und alle stehen verzweifelt dort herum, raufen sich die Haare und debattieren wild gestikulierend.
Und dies geschieht derzeit überall in Deutschland. Ganze Verkehrsadern werden stillgelegt, bringen den Binnenverkehr fast zum erliegen. Vor den Straßenmeistereien spielen sich erschütternde Szenen ab, sind gewalttätige Gruppierungen nur noch schwer zu zügeln.
Strafverfolgungsbehörden und Verkehrssünder vegetieren am Rande der Legalität und Verzweiflung, liefern sich erbitterte Schlachten. Was geschieht nur in Deutschland, was erregt derart die Gemüter? Deutschland am Rande der Wahnsinns.
Des Rätsels Lösung ist so einfach wie besorgniserregend. Der Schilderwahnsinn grassiert in Deutschland, verbreitet sich als psychische Seuche rasend schnell.
Vor allem junge Leute, Fahranfänger, die Generation ICQ kommt nicht mehr zurecht mit dem althergebrachten Verkehrsschilderwald auf Deutschlands Straßen. Kaum ein Teenie kennt noch den guten alten knuddeligen Lastwagen mit den abgerundeten Kotflügeln wie beim Käfer.
Oder der Fußgänger mit Melone, die Mutti mit Dauerwelle, die ein langzöpfiges Geschöpft über die Straße begleitet. All diese Zeichen vergangener Dekadenz sind einer multimedialen Generation nicht mehr zu vermitteln, sorgen für Konfusion und Chaos auf Deutschlands Straßen. Zumal die wenigen Bürger, welche ein Verkehrsschild noch in seiner Funktion wage erahnen, nicht wissen, ob es noch rechtskräftig oder doch schon dem bürokratischen Wahnsinn anheim gefallen und ungültig geworden ist.
Moderne Verkehrs-Kommunikation, und sei es auf Schildern, muss knapp und kurz und verständlich sein. Ohne Schnörkel, Hut und Dauerwelle.
So wie in Schüler-VZ, dem Forum der modernen Sprache.
„hi du, hkh“ (Anm.der Redaktion: Habe keine Hausaufgaben)
„hi back, mak“ (Anm. der Redaktion: Morgen auf`m Klo)
„sank you, hdgdl“ „Anm. der Redaktion: Hab´dich ganz dolle lihb“
„heut´abend parti“
„klaro, fmd 9uhr bei dir“
Doch glücklicherweise haben mutige Politiker dem Chaos auf Deutschlands Straßen ein Ende bereitet. Und zum Wohle des Deutschen Volkes beschlossen, die alten und nur schwer verständlichen Straßenschilder auszutauschen. Gegen moderne, gestylte und die Verkehrssicherheit wiederherstellende Zeichen der modernen Zeit. Und so ist der Einsatz von rund 400 Millionen an Steuergeldern gerechtfertigt und zu vernachlässigen angesichts der ansonsten unvermeidlichen Katastrophe. So konnten für diesen doch geringen finanziellen Einsatz Chaos, Bürgerbegehren und Revolution vermieden werden. Angeblich sollen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit auch weitere dringend benötigte 2 Millionen zusätzliche Schilder „Vorsicht Schlagloch“ neu geordert worden sein.
Wobei böse Zungen behaupten, dass auch in den obersten Etagen führender Schilderhersteller und Altmetallhändler diese Aktion befürwortet wurde. Was der FDP die Hoteliers, das den anderen die Schilderhersteller.
Trotz aller guten Argumente soll es aber aus der alten Generation der ewig Gestrigen mürrische Stimmen geben, die den modernen, künstlerisch eher minimalistischen Strichzeichnungen der neuen Verkehrsschilder nichts gutes abgewinnen.
Aber es musste einen Schnitt geben. Notfalls auch gegen den Willen geistiger Minderheiten.
Doch dies kann und darf nur ein kleiner Schritt sein auf dem weiten Weg in einen modernen Verkehrsstaat. Gerüchteweise liegen bereits Pläne in den Schubladen, die antiquierten Signalfarben aller Ampeln gegen zarte Pastelltöne zu tauschen.
Und auch der Tierschutz wehrt sich vehement und immer lauter gegen ein Monument vergangener Epochen des Straßenverkehrs. Dicke, fette Zebrastreifen. Kein modernes, angepasstes Tier würde Streifen dieser Breite in aller Öffentlichkeit tragen. Welche Schmach für das Zebra, tagtäglich unter diesem Zeichen menschlicher Missachtung tierischer Ansprüche leiden zu müssen. Und so muss die Forderung lauten: Ersetzt die alten, rufschädigenden Zebrastreifen gegen moderne, schmale Streifen zum Schutz der tierischen Psyche.
Gut zu sehen, wie leicht es in Zeiten leerer Kassen doch fällt, sinnlos Geld in die Wirtschaft statt in die Bildung zu pumpen.
Wenn auch ihr ein paar schöne Ideen habt, Geld sinnlos und effizient in die Modernisierung des Deutschen Verkehrswesens zu investieren, sollen diese hier gerne veröffentlicht werden.
Mittwoch, April 21, 2010
Schilderwahnsinn
Eingestellt von Dietmar um 2:23 PM
Labels: Bürokratie, Politik
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