Sonntag, Oktober 12, 2008

Literaturpapst Reich-Ranicki

Also ganz ehrlich. Und das ist, sage ich jetzt vorsichtshalber, keine Satire.



Mir ist er eigentlich von seinen Auftritten her nicht so sympathisch. Unser Superkritiker und seine erhabenen Ergüsse über die literarische Welt. Über Kunst und Kultur, auch geschriebene, kann man halt verschiedener Ansicht sein.
Aber diesmal kann ich ihm eigentlich nur zupflichten. Aus Wut, Empörung, Verzweiflung, Angst oder was auch immer über den Zustand des deutschen Fernsehens hat er die Annahme des deutschen Fernsehpreises verweigert.
Wobei das Zweite -und das Erste und die regionalen Programme-dabei in meinen Augen noch die geringste Schuld am ...



... Niedergang der deutschen Fernsehkultur tragen.
Aber ansonsten gruselt es einen inzwischen schon.
Es müssen ja nicht immer Relikte wie Böll, Grasmück und Konsorten sein. Aber die momentanen Serienhightlights können doch nur noch als Volksverdummung bezeichnet werden.
Waren es bisher vor allem die Talk-Talk-Vormittagsserien, wird diese Art der Volksberieselung und Verdummung jetzt über den ganzen Tag verbreitet. Wer singt am schlechtesten, wer geht am meisten fremd und wer blamiert sich am schönsten.
Eine Show nach der anderen. Kakerlaken essen, Promis beim Kühemelken und Bauer sucht Bäuerin. Verarmte Prominente, Narzisten und Sonstige machen sich öffentlich zum Affen.
Was werden spätere Generationen als Quintessenz unserer heutigen Kultur finden:
Atze´s Macho-Tipps, Helge Schneider´s Katzenklo oder die Perversitäten aus den Feuchtgebieten?
Und leider lassen sich auch die Ersten Programme inzwischen von diesem Trend anstecken. Wenn auch noch nicht in dieser extremen Ausführung. Aber die privaten, werbefinanzierten Sender sind bald nicht mehr zu ertragen. Und zwischendurch stundenlange Werbung und Vorschauen auf die folgenden ebenso bescheuerten Shows.

Abgesehen von den Shows vermiest einem das inzwischen selbst die besten Filme. 66% Film,33% Werbung - da bleibt die Erholung auf der Strecke. Alle 15min aufs Klo rennen, zwischendurch die Küche machen oder mal schnell Gassi gehen. Das ist Stress pur.

Wobei man ja fairerweise sagen muss: Wenn es keiner sehen wollte, würde das Fernsehen es doch auch nicht zeigen. Oder doch? Schliesslich geht es ja um Quoten und Werbeeinnahmen.
Oder ist es viel komplizierter? Spielt es keine Rolle mehr, was gezeigt wird? Weil der dauerberieselte Fernsehzuschauer inzwischen alles konsumiert oder weil ja fast alle Sender auf gleichem Niveau liegen? Oder weil unsere Jugend eben genau dieses Niveau inzwischen erreicht hat?
Oder weil diese Sendungen so spottbillig produziert werden können, dass die Quote egal ist? Die durchschnittliche Sendung abzüglich Vor- und Nachspann, Werbeunterbrechungen, Vorschauen und Wiederholung der letzten Minuten vor der Werbepause benötigt ja nur noch knapp 50% Inhalt. Die Mitspieler sind Laien, deren Bezahlung darin besteht, sich mal kostenlos profilieren zu dürfen. Das teuerste ist dann nur der Moderator.
Oder ist es längst nicht mehr der Durchschnittsfernseher, der über das Programm entscheidet, sondern die Werbeindustrie. Wo geschickte Strategen über gut plazierte Öffentlichkeitsarbeit vor allem der Jugend einredet, nur wer "Doof bleibt Doof" oder " Deutschland sucht die größte Blondine" schaut, ist up-to-date.

Jedenfalls hat Reich-Ranicki da schon irgendwo recht. Die deutsche Fernsehkultur hat mit Kultur nicht mehr viel zu tun. Oder doch? Entspricht das momentane Fernsehprogamm wirklich unserer Kultur? Das wäre dann allerdings traurig. Und vielleicht die Idee für eine neue Show.
Der Kultur-Coach. Mit und von Literaturpapst Reich-Ranicki.

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