Mittwoch, März 30, 2011

Deutschland wird grün

Erneut hat unseren rasenden Reporter Fearless Joe die Abenteuerlust gepackt. Trotz der Prophezeiungen des Majakalenders und dem erneut kurz bevorstehenden Ende dieser uns bekannten Welt hat er eine weitere Expedition in eine noch viel weiter entfernte Zukunft gewagt. Und siehe da. Die Welt wie wir sie jetzt noch kennen wird es in einer weit, weit entfernten Zukunft nicht mehr geben.

Es ist noch früh am Tag in Baden-Württemberg. Nur langsam beginnt die Morgendämmerung die Dunkelheit der Nacht zu vertreiben. Keine Straßenlaterne, kein Licht aus einem der unzähligen Fenster der Niedrigenergiehaussiedlungen erhellt die Umgebung. Angenehme Stille lastet über der noch schlafenden Stadt. Der Strom, täglich abgeschaltet zwischen Mitternacht und sieben Uhr, steht um diese frühe Zeit nur den wenigen Zentralen Einrichtungen zur Verfügung, die lebensnotwendig versorgt werden müssen. Krankenhäuser, Polizeistationen und die Energieüberwachungsbehörden des Landes.


Vor den quadratischen Mehrfamilienhäusern mit den Sonnenkollektorbedeckten Dächern stehen in Reih´ und Glied Hunderte aus Mehrwegkunststoff hergestellte Fahrradständer neben zahllosen bunt und liebevoll beklebten Solarrollern. Und selbstverständlich die aus schnell nachwachsendem Holz gefertigten Schuhständer für die traditionellen Korksandaletten des 22. Jahrhunderts.
Zwischen den Häusern erstrecken sich weite, Baumbestandene Grünflächen im Wechsel mit CO2-speichernden Mooren. Nur wenige, Rettungskräften und Städtischen Elektrofahrzeugen vorbehaltene Straßen durchziehen das weitläufige Gelände der einzelnen Siedlungen.

Das Leben der Stadt ist dem Rhythmus des Tageslichts angepasst. Erst mit der aufsteigenden Sonne erwacht auch die Stadt zum Leben, so wie sie mit dem Untergang der Sonne wieder zum Stillstand kommt. Das Leben vollzieht sich nach den Bestimmungen des Energieeffiziensgesetzes, das über alles Leben wacht. Jedes Wohneinheit versorgt sich autark und dezentral mit Energie.

Gewerbegebiete und Industrie liegen weit außerhalb der Wohnbereiche, inmitten riesiger Windparks. Noch liegt die morgendliche Stille über der Stadt, doch schon bald werden die gewaltigen Windräder ihre Arbeit aufnehmen und der Wind ihr beständiges Mahnen herüberwehen. Wruumm, Wruumm, Wruumm ertönt dann die Stimme der Vernunft und begleitet das tägliche Leben inzwischen von den Anwohnern kaum noch bemerkt. Nur das ständige Summen der überall aufgestellten Zwischenspeicher und die quer über der Siedlung verspannten Starkstromkabel, dick wie Mammutbäume im Mangrovenwald , sorgte anfangs für vereinzeltes Unbehagen.
Mehr als 150.000 Windräder wurden aufgestellt, Atom- und Kohlekraftwerke stillgelegt. Dezentrale Solarenergie, Erdwärme und Biogasanlagen stellen die Energieversorgung sicher.

Die Luft ist erfüllt vom Gesang der bunten Vogelwelt, rein und klar und der Himmel zartblau, frei jeglicher Kondensstreifen. Mit Einführung der 400%igen Umweltabgabe ist der Luftverkehr praktisch zum Erliegen gekommen ebenso wie der Tourismus. Wozu auch, hat man doch die Erholung vor der Haustür in den zahlreichen neu angelegten Naturschutzgebieten zwischen den Siedlungen, während die Strände von Ost- und Nordsee und das ehemalige U21-Gelände in Offshore-Windparks verwandelt wurden. Wem dies nicht genügt, vermag virtuell am heimischen PC die Welt per Sensohead lebensecht zu erkunden.
Der weltweite Touristikwahn hat seine Grenzen in den natürlichen Ressourcen gefunden.
Nur gelegentlich zieht eine solarbetriebene Überwachungsdrohne der Brüsseler Energieverwaltungskommision lautlos ihre Runden am Himmel über Deutschland.

Still und leise beginnt das Leben in der Stadt. Auf den zwischen den Niedrigenergiesiedlungen harmonisch eingefügten Ökogenossenschaften beginnt die Arbeit für die regionale Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. Kleine, örtliche Läden garantieren die Versorgung mit dem Grundlegenden: Gestiftelte Karotten, Sojakeime, Milchprodukte von freilebenden Tierbeständen, Fleischersatz aus ökologischem Getreideanbau, Haferbrote, regionale Obstprodukte und vieles mehr.

Die Teleschule hat inzwischen das Schulwesen revolutioniert. Bequem, unabhängig und ohne ressourcenverschlingende Schulwege lernen die Kinder am heimischen PC die Grundlagen des Lebens: Agrarwesen, Energiekunde, Ökologie, Sozialkunde, Heimat- und Naturkunde und vieles mehr. Derzeit spielen die kleineren Kinder in den Naturkindergärten, bauen an den naturbelassenen Bächen kleine Staudämme oder lernen in den Praxisbereichen bereits spielerisch die Grundlagen der Energieeffiziens kennen. Während ihre Eltern in den nah gelegenen Gewerbebetrieben und unter strengsten Umweltauflagen errichteten Industrieanlagen ihrer Beschäftigung nachgehen.
Z.B. in den Spielzeugläden, die ausschließlich Produkte aus wiederverwertbaren Rohstoffen anbieten. Geschnitzte Solarroller und Eisenbahnen aus Fichtenholz sowie niedliche Püppchen aus ökologischen Kunststoffen auf Zuckerbasis oder Kartoffelstärke. Oder in den Bekleidungscentren, die ihre immer aktuellen Moden aus Hanf und anderen naturbelassenen Stoffen anbieten. Oder in den staatlichen Naturheilcentren, die das Gesundheitswesen inzwischen revolutioniert haben.
Ebenso wie das Mehrgenerationenniedrigenergiehaus. Die Pflege der älteren Generationen außerhalb der Familie gehört glücklicherweise wieder der Vergangenheit an.

Und jede Siedlung beherbergt ihre eigene Multireligionenkirche. Harmonisch in die Landschaft integrierte Kirchen mit kleinen Türmen und Minaretten. Hier treffen sich in friedlicher Eintracht Anhänger aller Glaubensrichtungen zum gemeinschaftlichen Gebet.

Weite Anfahrtswege gehören der Vergangenheit an. Das Leben ist dezentral organisiert in kleinen autarken Lebensgemeinschaften. Die Globalisierung und auch die widernatürliche Arbeitszeit außerhalb der vom Lauf der Sonne bestimmten Einteilung hat sich in diesen Zeiten als schwerer Fehler herausgestellt und ist einer wieder ursprünglicheren und harmonischeren, leiseren Lebensart gewichen.
Glücklich wer eine Zukunft wie diese noch erleben darf.
Zwar wird die Menschheit die Weiten des Weltalls nie erobern, aber wer will das schon, hat er doch das Paradies auf Erden.

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