Es spricht ja normalerweise keiner darüber. Das ist nicht wie bei der Schweinegrippe, wo akribisch jeder Tote gezählt wird.
Wer sich vor den Zug oder aus dem Fenster stürzt, der tut das halt. Unbeachtet von der breiten Öffentlichkeit.Tausende von Suiziden jährlich, als eine der Hauptursachen gilt die Depression.
Doch wer spricht schon über so was.
Wer gesteht schon in unserer Leistungsgesellschaft öffentlich, dass er psychisch krank ist.
Das passt nicht ins Bild. „Eine Macke haben“ Nein danke.
Das kehren wir unter den Teppich und schweigen. Totschweigen sozusagen, wortwörtlich.
Diphterie,Keuchhusten,Pest,Kinderlähmung. Kein Thema mehr dank neuester Medizin. Wir werden immer älter, die medizinische Versorgung immer besser. Hunger? Unser größtes Problem ist der Wohlstandsbauch in den westlichen Industrieländern. In Afrika hungern Millionen. Dafür haben die anscheinend weniger Probleme mit Depressionen oder Bulämie. Welches afrikanische Kind käme schon auf die Idee, das gerade genossene Essen wieder gewaltsam rauszubrechen. Wäre doch ziemlich idiotisch, oder?
Zweimal jährlich in Urlaub, der neue 1,50m Flachbildschirm im Wohnzimmer und der Hummer vor der Tür. Die Reserven in Liechtenstein, die Kinder auf der englischen Elite-Schule. Alles prima?
Und doch: Irgendwie sind wir doch eine kranke Gesellschaft. Nicht so krank wie krank, sondern eher wie crank-der Film. Verrückt, durchgedreht. Nie zufrieden. Immer auf der Suche. Man weiß nur nicht wonach.
Doch wer spricht da schon gerne drüber.
Der Fall Enke ist da jetzt eine Möglichkeit, mal stets verschwiegene Probleme anzusprechen.
Dazu gehört Mut. In aller Öffentlichkeit über die Depression zu sprechen. Sich zu outen vor all den anderen Normalen. Die sich nicht outen.
Obwohl inzwischen psychische Probleme wohl eher zur Tagesordnung gehören.
ADS, Depressionen, Schizophrenie, Magersucht, Schulphobien, Mobbing, Borderline, Verhaltensstörungen, Demenz, Serienwahnsinn im Fernsehen. Der nackte Schwabbelbauch, der bei Bohlen psychisch gestört über die Super-Talent-Bühne hampelt.
Oder der unauffällige Musterschüler aus bestem Haus, der mit Papas Schrotflinte Amok läuft. Und der dann plötzlich doch schon immer irgendwie ein seltsamer Einzelgänger und seit 3 Jahren in psychologischer Behandlung war.
Die Probleme der Neuzeit sehen scheinbar irgendwie anders aus. Erfolgsmodell (soziale?) Marktwirtschaft. Entläd sich so der Erfolgsdruck?
Was ist da nur los in unserer Gesellschaft. Haben wir unsere Wurzeln verloren, unseren Glauben,unsere Familien. Glauben? An wen? Ans Kapital! Unsere Zukunft:Eine erfolgsorientierte Single-Gesellschaft ohne familiären Halt. Mit Anspruch auf einen Pflegeheimplatz im Alter inclusive 15min täglich für vollautomatische Körperpflege und Toilettengang durch einen Pflegeroboter.
Eigentlich geht es uns doch gut. Und doch sind wir nie zufrieden.
Zweiter Platz – ganz schlecht. Nur Gold zählt. Immer unter den Top-Ten der Bestenlisten sein ist wichtig. Und verdammt stressig. Die monatliche Rennliste als Gradmesser für den Wert eines Menschen.
Arbeitsplatzsuche Heute: Abitur mit 1,00, vom Beratungsbüro erstellte perfekte Bewerbungsmappe, Stylingtipps vom Stilberater, Persönlichkeitstest, IQ-Test, pers. Gespräch mit dem psychiatrisch geschulten Einstellungsberater. Nur der Beste, der Allerbeste bekommt den Job.
Oder natürlich Jobsuche per RTL oder Pro7. Multimediale Bewerbung in der Öffentlichkeit.
Top-Modell, Top-Star, Top-Job, Top-Bonus, Super-Nanny, Super-Talent.
Alles Top.Alles Super. Um die Erziehung unserer Kinder kümmert sich das Fernsehen.
Um den Rest kümmert sich im Stillen der Psychiater.
Finanzkrise? War Gestern!
Depression? Schön dass wir mal drüber gesprochen haben. Die neue Artikelserie hat die Auflage erhöht. Und Morgen weiter mit dem Alltagsgeschäft. Die Gold-Medaille wartet. Unsere Gesellschaft ist schnelllebig und vergesslich geworden. Und irgendwie krank. Psychisch krank.
Mittwoch, November 18, 2009
Volkskrankheit Depression
Eingestellt von Dietmar um 3:05 PM
Labels: Einsichten und Ansichten, Gesundheit
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen