Sonntag, März 02, 2008

Büdinger Verbraucher total verblödet !

Zu diesem Ergebnis kommt die Studie einer Mönchengladbacher Beratungsfirma.
Unter dem Motto: Qualifizierungsoffensive Wetterau erhellte Frau W.* Ende Februar in Büdingen vor interessiertem Publikum die Situation des Büdinger Einzelhandels und offenbarte erstaunliche wissenschaftlich fundierte Fakten.

Dazu titelte der Kreisanzeiger: „Bei so viel Reizüberflutung wird es karussellig im Kopf“
Wissenschaftlich exakter kann man es nicht ausdrücken. Und genau so sahen die zahlreich erschienenen Gäste vor allem aus dem Gewerbe samt Stadtoberhaupt auch aus der Wäsche. Frustriert, gelangweilt, mitleidig lächelnd und irgendwie „karussellig“
Nachfolgend nun eine kurze Zusammenfassung wesentlicher Punkte der Studie, deren grundlegende Bedeutung für die deutsche Wirtschaft im allgemeinen und für die Büdinger Einzelhändler im Einzelnen exorbitant sein dürfte.

Zunächst stellte Frau W. fest, dass der Verbraucher keineswegs kritisch, sondern vielmehr orientierungslos sei, eben karusselig durch die alltägliche Reizüberflutung.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht hier nicht um hyperaktive Verbraucher oder ADS-Erkrankte, obwohl die Studie sicherlich auch den Schluss zulässt, das der Verbraucher dringend der Hilfe bedarf. Und da gibt Frau W. auch sofort Ratschläge zur gewerblichen Erste Hilfe. Ihr Rat an die Experten: Dem orientierungslosen, nur noch bedingt lebens- und
einkaufsfähigen Verbraucher hilft man am besten, indem ihm Bedürfnisse geschaffen werden, von deren Existenz er bisher noch gar nicht weiß.
Beispielhaft nannte Frau W. das Mittel erster Wahl bei Orientierungslosigkeit in der psychiatrischen Ersthilfe, das Tamagochi als Lebensgefährte.
Auf Büdingen umgemünzt also evtl. das Büdigochi als seelsorgerische Institution. Z.B. ein Miniaturschloß mit eingebautem Highendbildschirm. Und 2x täglich müssen per Knopfdruck Fürst und Bürgermeister gefüttert werden, sonst sperrt der Fürst den Wald und der Bürgermeister die Haushaltsmittel. Da besteht dann natürlich die Gefahr, dass der Hr. Luft z.B. den Markt leerkauft und den Bürgermeister hundertfach qualvoll verhungern lässt. Rein virtuell natürlich.

Aber zurück zur Studie.
Besonders aussagekräftig die Feststellung: „Es kommt auf die Verpackung an, da ziehen sie den Leuten das Geld aus der Tasche“ Aus diesen profanen Worten spricht der tiefempfundene Respekt der Frau W. vor dem Verbraucher. Und ihr ebenso profaner Tipp: Viel glänzende Verpackung und wenig drin. Ein echtes Highlight moderner Marketingstrategien und absolut verbraucherfreundlich. Bravo Frau W. Der Verbraucher ist begeistert.

Bemerkenswert auch die Feststellung, das Prinzip „der Kunde ist König“ sei devot und sollte ersetzt werden durch „der Kunde ist dein Freund“. Moderne Kuscheligkeit fiel hier als Schlagwort.
Ja, mit der „Kunde ist König“ tut sich so manche pelzgewandete Gewerbetreibende sicherlich schwer. Aber das nur so beiläufig.

Setzen wir das Prinzip „Frau W. aus M.“ doch mal in die Praxis um:
Unser Metzger kommt freudestrahlend auf uns –den orientierungs- und hilfslosen Verbraucher- zu, umarmt und kuschelt uns auf russische Art so mit Küsschen links und Küsschen rechts, verkauft uns 100gr. gammelige Wurst die wir eigentlich gar nicht haben wollten in aufwändiger 250gr. Verpackung mit Goldschleife zu völlig überteuertem Preis und ruft „Genosse Karl, wie schön dich zu sehen. Den Bürgermeister Heute schon gefüttert?“

Liebe Frau W. aus M.
Ich bin da eher altmodisch und lieber noch König. Ob sie das devot finden oder nicht, ist mir völlig egal und wenn’s nicht gefällt, kaufe ich woanders ein.
Und ich hasse es, wenn der Verbraucher nur als Objekt geldgieriger Händler dargestellt wird, den es gilt über den Tisch und sein Geld aus der Tasche zu ziehen. Dem sie seine Bedürfnisse vorschreiben wollen und das dann noch als Freundschaft bezeichnen. Ich will nicht mit meinem Metzger kuscheln, ich will König bleiben.
Und wenn sie schon so abfällig und respektlos über den Verbraucher herziehen, machen sie das doch lieber unter Ausschluss der Presse.
Ich weiß ja nicht welcher Frauenzeitschrift sie ihren Vortag entnommen haben, aber sie wecken in mir nur ein dominierendes Bedürfnis: Bei keinem Büdinger Einzelhändler einzukaufen, der von ihnen konzeptionell betreut wird. Ich hoffe, das sehen die Büdinger Einzelhändler auch so. Zumindest offiziell
Mittelmaß sei tödlich sagen sie, Frau W. Dann muss wohl ihr Geist diesen Vortrag gehalten haben. Und das der Kunde mit Namen angeredet werden soll, ist so neu jetzt auch nicht und außerdem übertrieben devot oder finden sie nicht?

Ein sensibler und kritikfähiger Verbraucher.

*(Name aus Sicherheitsgründen abgekürzt, um Racheakte wütender Verbraucher zu verhindern)

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